Hilfe nach Maß

Auf Initiative von Herbert Müller aus Fehnhusen spenden Ostfriesen seit rund 13 Jahren für eine Schule nahe Phnom Penh – Richtschnur war dabei immer, was vor Ort gewünscht wurde
Unter anderem stattete der Freundeskreis Kambodscha die Schule mit Computern und einer Photovoltaikanlage aus.

Südbrookmerland/Ostfriesland/Phnom Penh. 13 Jahre – solange dauert es in Deutschland in der Regel, bis ein Erstklässler sich bis zum Abitur durchgekämpft hat. Im Dorf Lveatea, etwa 40 Kilometer entfernt von der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh, hat es jetzt gut 13 Jahre gedauert, um aus einer Elementarschule mit Löchern im Dach, schlecht ausgebildeten Lehrern und fehlenden Lernmaterialien eine Schule für 500 Kinder zu machen, an der diese auch den Highschoolabschluss erwerben können. Der Antrieb für diese Entwicklung kam von Monn Sokchea, der die Schule in den 1980er-Jahren besuchte. Das Geld dafür wurde vom Fehnhuser Künstler Herbert Müller, dem Auricher Arzt Gerhard Stauch und zahlreichen Mitstreitern in Ostfriesland gesammelt.

Doch von Anfang an: Gerhard Stauch kam 2002 nach Phnom Penh, um dort eine Pathologie aufzubauen und Telemedizin voranzutreiben. Stauch gründete mit einigen Freunden den Freundeskreis Kambodscha unter dem organisatorischen Dach der lutherischen Kirche Aurich und begann, für medizinische Hilfen Geld zu sammeln.

2004 begleitete Herbert Müllers Tochter Hanna Gerhard Stauch auf einer seiner Reisen. Sie kam mit Kindern in den Slums von Phnom Penh in Kontakt. 2005 und 2006 war auch Herbert Müller neugierig und schaute sich die Situation vor Ort an.

Er lernte Monn Sokchea kennen, in dessen Biografie sich Müller zufolge die jüngere Geschichte Kambodschas widerspiegelt.

Sokchea ist eine Art Selfmade-Man. Im Schreckensregime von Pol Pot wurde er als Kind in einem Lager zum Rattenjagen auf die Reisfelder geschickt. Nach dem Ende der Schreckensherrschaft der Roten Khmer wuchs er als Waise bei einer Familie in Lveatea auf. Auf der Dorfschule bekam Sokchea seine Bildung, die er Müller zufolge eigenständig immer weiter ausbaute, bis er es zum Schulleiter einer Schule in Phnom Penh gebracht hatte. Seine alte Dorfschule verfiel indes zusehends, Unterricht fiel aus, es fehlte am Nötigsten. Daher nahm Sokchea selbst Geld in die Hand und zahlte den Lehrern wenige Cent als Zusatzlohn, damit diese keine Zusatzjobs annehmen, sondern sich auf ihren Beruf konzentrieren können. Als Müller Sokcheatraf, ging es gerade darum, weitere Mittel aufzutreiben.

Ostfriesen brachten 20 000 Euro für Oberstufenbau auf.

Und das passierte, und zwar in Ostfriesland. Müller verkaufte Bilder zugunsten der Schulrenovierung. Als er Sokchea fragte, wie viel Geld gebraucht werde, berichtete der von Plänen, einen Betonboden anzulegen, damit die Schule Überflutungen besser standhalte. 900 Euro waren nötig und wurden von Stauch bei der nächsten Reise abgegeben.

Der Freundeskreis Kambodscha in Aurich blieb am Ball. Der Lions Club Krummhörn spendete laut Müller regelmäßig, sodass die Unterrichtsversorgung und das Schulmaterial sichergestellt waren und nötige Reparaturen vorgenommen werden konnten. Das restliche Spendengeld wurde beispielsweise genutzt, um den Kindergarten der Schule und die sanitären Anlagen auszubauen und einen Spielplatz und Schulgarten anzulegen.

2009 kam der erste Neubau: Der Freundeskreis finanzierte mit Spenden eine Bibliothek mit Photovoltaikanlage auf dem Dach. Auf diese Weise wurde Strom produziert, um beispielsweise Computer betreiben zu können. Auch damit wurden die Schüler ausgestattet.

Auch Geld für einen Englischlehrer brachten die Ostfriesen auf. Laut Stauch konnte noch 2008 kaum ein Lehrer der Schule Englisch. Seit 2012 lernen die Schüler gezielt die Sprache, die sie auf Berufe beispielsweise in der Touristik vorbereitet.

Stauch und Müller beschreiben aus eigener Anschauung die soziale Schere, die im politisch nicht instabilen, aber autokratisch regierten Kambodscha immer weiter aufgeht. Vor allem die Landbevölkerung ist abge-

schlagen. Deshalb sind beide jetzt stolz, dass auf staatlichen Vorschlag die Dorfschule von Lveatea eine Oberstufe bekommen hat. Immer mehr Schüler – auch aus Nachbardörfern – besuchten die Einrichtung, der Erfolg sprach sich herum.

Kambodscha stellt nun die Lehrer, für das Gebäude war das Dorf selbst verantwortlich. Mit Unterstützung der ostfriesischen Lions Clubs als Gemeinschaftsprojekt wurde in diesem Jahr ein Neubau für die Highschool errichtet.

Ihr Abitur haben 40 von 44 Schüler des ersten Abschlussjahrgangs schon in der Tasche. Sie nutzten übergangsweise noch die alten Räume, so Müller. Durch den Freundeskreis kommen die Spenden ohne Verwaltungsaufwand vor Ort an – die Kontrolle über die Verwendung ist direkt gegeben. Ein Geheimnis des Erfolges: „Wir haben immer gefragt ‚Was braucht ihr?‘ und nichts aufgedrückt“, so Müller.